Vier Mädchen lernen bei Heraeus nicht nur das Gewindeschneiden Sie haben den Dreh raus

Bauen einen kleinen Metall-Hubschrauber bei Heraeus: die Maintaler Schülerinnen Josefine Lang, Helena Schneider, Annalena Gerke und Alexandrina Stratan (von links). Bild: PATRICK Scheiber

Hanau/Maintal – „Ich hatte vorher keine Vorstellung von vielen Tätigkeiten. Etwa davon, wie man ein Gewinde schneidet. Jetzt bin ich überrascht, wie einfach das geht“, sagt Helena Schneider. Bei Heraeus arbeitet die Elftklässlerin mit ihren Schulkameradinnen Alexandrina Stratan, Annalena Gerke und Josefine Lang an einem kleinen Hubschrauber aus Metall. Baustein für Baustein stellen sie selbst her und bauen alles zusammen. Es ist ein gemeinsames Projekt ihrer Schule, des Albert-Einstein-Gymnasiums in Maintal, und des Technologiekonzerns – und es soll Mädchen technische Berufe näherbringen.

In der Metallwerkstatt des Familienunternehmens gelingt das bestens, wenngleich die vier Schülerinnen dabei offenbar nicht ihren Traumberuf entdeckt haben. „Ich finde es wirklich interessant. Aber andere Berufe liegen mir doch mehr“, sagt Alexandrina Stratan. Für Josefine Lang haben Jobs im technischen Bereich ihren Reiz. Doch ob sie in der Metallwerkstatt ihr berufliches Glück finden wird, ist fraglich.

Für Heraeus-Ausbildungsleiterin Karin Saar machen die Erkenntnisse der Mädchen das Projekt nicht madig. Ganz im Gegenteil: „Es ist besser, man weiß, was man will – und was man nicht will.“ Auch Ausbilder Marcel Becker, der die vier Maintaler Schülerinnen als Lernbegleiter anleitet, sieht das so: „Es ist auch ein Erfolg, wenn man weiß: Das ist nichts für mich“, sagt er.

Seit Februar sind die Mädchen alle zwei Wochen zu Gast in der Werkstatt. Zweieinhalb Stunden lang arbeiten sie an ihrem Hubschrauber und lernen dabei alle Fertigkeiten kennen, die es beim Umgang mit Metall braucht. Unterstützt werden sie von Heraeus-Azubi Efe Abdullah Sentürk. Denn fürs Fräsen an der großen Maschine braucht es dann doch schon ein bisschen Erfahrung und ein ruhiges Händchen. Heute wird am Propeller gefeilt und gebohrt.

Noch bis 20. Juli läuft das Projekt, dann sind die Schülerinnen mit ihren Eltern zu einer Abschlussveranstaltung eingeladen. Den Hubschrauber können sie mitnehmen und ihm einen schönen Platz in der Schule widmen.

Isabella Hein hat das Projekt mit auf den Weg gebracht. Sie ist am Albert-Einstein-Gymnasium für die Mädchen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zuständig. „Wir haben uns gefragt, was wir tun können, um Mädchen in diesem Bereich zu fördern. Da kam mir die Idee eines solchen Projekts zusammen mit einem großen Unternehmen. Ich habe einfach den Telefonhörer in die Hand genommen und bei Heraeus angerufen“, berichtet Hein. Bei Karin Saar hat sie offene Türen eingerannt. Denn die Zahl an Mädchen, die sich für technische Berufe interessieren, ist nach ihren Worten rückläufig. Wege, sie dafür zu begeistern, sind also schwer gefragt.

„Früher hatten wir in jedem Ausbildungsjahr zwei bis drei Mädchen, jetzt sind wir froh, wenn eines dabei ist. Und das, obwohl die Vorbilder im Unternehmen da sind.“ Einen der Gründe dafür kennt die Heraeus-Ausbildungschefin: „Wenn man sich in klassischen Frauenberufen leichttut, gibt es keinen Grund, sich davon wegzubewegen. Die, die es dennoch tun, sind Überzeugungstäterinnen.“

Das Projekt sei ein Versuchsballon, man wolle es gerne fortsetzen, so Saar. Auch beim Albert-Einstein-Gymnasium ist man laut Isabella Hein an einem Ausbau bis in die Oberstufe hinein interessiert. Bei Heraeus soll das Modell künftig auch in andere Bereiche übertragen werden. „Es gibt Überlegungen, das auf den IT- und Chemiebereich auszudehnen“, erklärt Saar. Dem Nachwuchs zu ermöglichen, herauszufinden, was man denn beruflich machen wolle, sei heutzutage wichtiger denn je. „Die allgemeine Orientierungslosigkeit ist leider groß“, sagt die Ausbildungschefin.

Heraeus bietet jungen Leuten eine große Bandbreite an Berufen – vom Maschinenanlagenführer über kaufmännische und chemische Berufe bis hin zum Glasapparatebauer. Auch gibt es Möglichkeiten, die Ausbildung mit einem Studium zu kombinieren. Das Technologieunternehmen bildet in Hanau und dem Rhein-Main-Gebiet jedes Jahr rund 80 bis 90 junge Leute aus.

Von Christian Dauber