Pfarrer i. R. Lothar Sperling erinnert sich an die Anfangsjahre von Heilig Geist „Wir waren eine tolle Gemeinschaft“

„Katholische Kirchengemeinde Heilig Geist“ steht noch an der Infotafel. Doch eigenständig ist die Gemeinde nicht mehr, sondern inzwischen Teil der Großpfarrei St. Klara und Franziskus. Bild: Michael Prochnow

Hanau-Großauheim – „Zuerst der Kindergarten!“ Lothar Sperling hat seine eigenen Vorstellungen vom Aufbau eines Pfarrzentrums. Der junge Seelsorger war im Herbst 1968 in die Waldsiedlung versetzt worden, um in der aufstrebenden Wohnsiedlung die katholische Pfarrkuratie Heilig Geist einzurichten. Für Sperling hatte die Kita Priorität gegenüber dem Bau des Gotteshauses. Heute stelle der Pastorale Weg alle Angebote der Gemeinden infrage.

Damals zogen mehrere Industriebetriebe wie BBC Hunderte von Menschen nach Großauheim, erzählt der Theologe. Und schon in jener Epoche arbeiteten vielfach beide Elternteile, die Kinderbetreuung wurde also dringend benötigt, „Gottesdienst konnten wir in der Friedhofskapelle feiern“. Die Diözesanleitung in Fulda zeigte sich einverstanden und änderte die Reihenfolge.

Bis heute verteidigt Sperling das Vorgehen, und die Gemeinde dankt es ihm. „Wir waren eine tolle Gemeinschaft“, schwärmt er vom Zusammenhalt der bis zu 4000 Christen in den besten Jahren. Mittlerweile ist der 87-Jährige längst Rentner. Messen zelebriert er nicht mehr, weil er schlecht Stufen überwinden oder länger stehen kann, erklärt der Priester, der nun im Penthouse eines nahen Hochhauses lebt.

Er stammt aus Posen, die Familie gelangte kurz vor den schweren Angriffen auf Dresden durch die Elbstadt und Plauen nach Eichfeld, wo er 1956 das Abitur ablegte. In Erfurt begann er das Studium der Theologie, 1959 floh er über Berlin in den Westen. Nach seiner Kaplanszeit in Marburg ging es nach Hanau. Dort feierte Lothar Sperling mit seiner treuen Pfarrgemeinde jetzt sein diamantenes Priesterjubiläum. Einen Sonntagsgottesdienst gibt es in Heilig Geist allerdings nur noch an Festtagen wie zur Kerb, klagt der Militärseelsorger, der von 1969 bis 2002 neben seinem Posten an der John-F.-Kennedy-Straße auch für Bundeswehrsoldaten in Schöneck-Kilianstädten bereitstand.

Als großen Fehler sieht er auch, dass es an den einzelnen Kirchenstandorten in der neuen Großpfarrei St. Klara und Franziskus in der Brüder-Grimm-Stadt keine Pfarrgemeinderäte mehr gibt. „Die Leute haben keine Ansprechpartner mehr“, kritisiert er, weil Pfarrer und Laienvertreter fehlen. Und für Angehörige seiner Generation sei es sehr schwer, zur Eucharistie in die Paulskirche in der Großauheimer Altstadt zu gelangen. Der Bus halte nur weit entfernt.

Es seien diese Entfernungen und die verordnete Anonymität, die den Zerfall der Kirche fördern, fürchtet der erfahrene Theologe. „Wie soll ein Mitglied des Verwaltungsrats aus Bergen-Enkheim Entscheidungen für ein Pfarrheim in Dörnigheim treffen, das er noch nie gesehen hat?“, gibt der langjährige Gemeindeleiter zu bedenken. So weitläufig seien die neuen pastoralen Räume und künftigen Pfarreien. Das einstige Pfarrzentrum Heilig Geist mit integrierter Kirche entstand zu Beginn der Siebzigerjahre, nachdem im Jahrzehnt davor mit der Waldsiedlung ein neues Stadtviertel entstanden war. Heilig Geist ist Teil des Kirchortes St. Jakobus, der wiederum zum 1. Januar 2021 in der Großpfarrei St. Klara und Franziskus aufgegangen ist.

Die Fusion von insgesamt fünf Pfarreien in Hanau und Großkrotzenburg hatte unter anderem zur Folge, dass es nur noch ein zentrales Pfarrbüro, jenes in der Hanauer Innenstadt, gibt. Statt der früheren Pfarrgemeinderäte gibt es zudem nur noch einen zentralen Pfarreirat.

Von Michael Prochnow