Repair-Café ist letzte Rettung für totgesagte Geräte Schrauben aus Leidenschaft

Da ist guter Rat billig: Karlo Flettners DVD-Spieler macht Probleme. IT-Techniker Oliver Bode nimmt sich ehrenamtlich gern der Sache an.

Obertshausen – Der DVD-Spieler läuft unrund. Für Karlo Flettner ist das ein kleines Malheur. Mit dem Gerät schauen er und seine Frau sich nicht nur selbst Filme an, oft nehmen sie das Gerät mit, wenn sie Seniorinnen und Senioren im Haus Jona besuchen, um gemeinsam Heiteres aus vergangenen Tagen zu erinnern. Jetzt zeigt der Apparat keine Reaktion, ein Fall fürs Repair-Café im Familienzentrum.

Im Fachgeschäft haben sie den Fehler nicht gefunden, die Reparatur des längst überholten Modells würde sich auch kaum mehr lohnen, haben sie dem Rentner erklärt. Bleibt nur der Gang an die Vogelsbergstraße, wo sich am ersten Samstag im Monat Fachleute treffen, die nicht für Geld, sondern aus Passion Schraubenzieher und Schweißgerät schwingen.

Man kennt sich. Während Flettner schon so manche Feier in den neuen Räumen mit seinen Figuren aus Luftballons mitgestaltet hat oder im Pflegeheim gegenüber aufgetreten ist, packt Oliver Bode in verschiedenen Vereinen mit an. Jetzt nimmt sich der IT-Techniker des DVD-Players an, geht Punkt für Punkt in dem Wirrwarr aus Kabeln und Dioden durch, muss aber auch erst mal passen. Doch der ehrenamtliche Helfer gibt noch nicht auf.

Sein Kollege Michael Becker am Tisch schräg gegenüber ist gleichsam nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen.

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Er nimmt einen schicken Bluetooth-Lautsprecher fürs iPhone unter die Lupe. Sein Besitzer ist ebenfalls in der Werkstatt abgeblitzt, nicht aber ohne den als Übeltäter identifizierten Kondensator mitzunehmen. „Der hat 1,20 Euro gekostet“, informiert der Mann und hält das winzige Bauteil in die Höhe, „der Einbau hätte ein Vielfaches gekostet“. Der Mitarbeiter sei auch ganz froh gewesen, dass er das Element nicht installieren muss – es hätte der Firma einfach zu viel Zeit geraubt.

„Manchmal muss das Innenleben einfach gereinigt werden, und schon funktioniert es wieder“, lautet Beckers Erfahrung nach den ersten drei Café-Tagen. Jetzt löst er vorsichtig die Platine und kippt sie nach vorne, um das Innenleben der Box in Augenschein nehmen zu können. Als Ursache für das Schweigen identifiziert er eine Überspannung. Mithilfe des Lötkolbens an seiner Seite ist der neue Kondensator bald verbaut, der Lautsprecher versieht wieder seinen Dienst.

Peter Boller macht gleich eine kaffeesüchtige Familie glücklich: Im Milchaufschäumer des defekten Vollautomaten waren bloß ein paar Kontakte lose – kleine Ursache, große Wirkung. Die gleiche Ursache sorgt dafür, dass ein Schwibbbogen kein Fenster mehr erleuchtet. Mehr als zwei Dutzend „Fälle“ werden an diesem Samstag bearbeitet – etwa die Hälfte erfolgreich, überfliegt Andreas Fornauf vom Stadtmarketing die Protokolle.

Auf den Papieren müssen die Eigentümer der Geräte einen Haftungsausschluss unterschreiben, bedeutet, dass die ehrenamtlichen Helfer nicht für Schäden verantwortlich gemacht werden können. Das tun die Hilfesuchenden gern. „Letztes Mal war Staubsauger-Tag, heute sind Kaffeemaschinen dran“, resümiert Fornauf. Die meisten „Fälle“ aber betreffen Fahrräder, an denen jenseits der großen Fensterfront geschraubt wird. Meistens geht’s um Bremsen, manchmal ums Licht, und gerade haben die Kollegen einen Sattel ausgetauscht.

Den freiwilligen Mitarbeitern ist eine Grundausstattung an Werkzeug an die Hand gegeben, die Experten haben aber auch ihre eigenen Koffer mit dem speziellen Instrumentarium ihres Jobs dabei. Die Erfolge werden mit einer Tasse Kaffee und Kuchen von den Tausendfüßlern nebenan gefeiert.

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Von Michael Prochnow