Abitur 2024: Heinrich-Mann- und Rudolf-Steiner-Schule ziehen Bilanz Vorzeitige Abgänge, KI und Gendern

Bei der Gestaltung der Motivationsbanner sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Bild: -

Dietzenbach – Wie das diesjährige hessische Abitur verlaufen ist, ist noch nicht sicher, denn die Prüfungen laufen noch. Doch Fragen zu den Folgen von Corona, künstlicher Intelligenz beim Lernen, und dem Gendern können allerdings schon jetzt beantwortet werden. Die Redaktion hat sich bei der Rudolf-Steiner- sowie der Heinrich-Mann-Schule umgehört.

„Die Prüfungen sind organisatorisch gut gelaufen“, teilen die Leitungen beider Schulen mit. Die Ergebnisse stehen zwar noch nicht fest, doch laut dem Oberstufenamtsleiter der Rudolf-Steiner-Schule, Felix Wiedergrün, sind die Prüfungen des Biologie-Leistungskurses sowie des Mathe-Grundkurses dieses Jahr vergleichsweise besonders anspruchsvoll gewesen. Also eine Herausforderung für den gesamten Jahrgang, denn jeder des 18 Schüler starken Jahrgangs habe den Leistungskurs Biologie gewählt.

Neben Biologie seien vor allem die Fächer Deutsch, Englisch und Politik und Wirtschaft (PoWi) eine beliebte Wahl. Ein Trend, der sich auch an der Heinrich-Mann-Schule beobachten lässt, doch auch für Mathematikinteressierte gab es dieses Jahr aufgrund hoher Nachfrage gleich zwei Leistungskurse, bestätigt Studienleiter Boris Müller.

Das diesjährige Abitur ist das erste ohne Prüfungserleichterungen seit dem Pandemiebeginn 2020. Vor einem Jahr wurde den Abiturienten noch ein Prüfungsvorschlag mehr zur Wahl und eine halbe Stunde mehr Schreibzeit zur Verfügung gestellt, um so die Unterrichtsausfälle der Lockdownzeiten auszugleichen. Trotz der fehlenden Unterrichtszeit blickt Müller optimistisch auf die derzeitige Situation. „Spürbare Auswirkungen auf die Motivation, Konzentration oder gar den Notendurchschnitt durch die Pandemie können wir heute nicht mehr beobachten“, sagt er.

In der Rudolf-Steiner-Schule wird das anders gesehen: Felix Wiedergrün ist sich zwar sicher, dass die meisten gut durch die Prüfungen kommen, doch Pandemiefolgen bemerkt er eher in den neunten und zehnten Klassen, welche zurückgerechnet in Lockdownzeiten den fünften und sechsten Jahrgang besucht haben. Diese „spürbaren Konsequenzen“ äußerten sich deutlich bei der Beherrschung von Rechtschreibung und Mathematik.

An der Waldorfschule ist zudem die Zahl der Schüler, die nach der zwölften Klasse mit einem Fachabitur frühzeitig abgingen, weiter gestiegen. Viele Schüler seien schlicht „schulmüde“ geworden, beobachtet Wiedergrün. Für ihn ist das ein Zeichen, „wie Corona die Schüler seelisch geprägt hat“. Den steigenden Trend des frühzeitigen Abbrechens kann auch Müller bestätigen. Der Begriff „Abbrechen“ sei aber keineswegs negativ zu verstehen, denn man baue sich mit dem folgenden, einjährigen Praktikum lediglich einen anderen Weg auf, und mit dem erreichten Fachabitur könne heutzutage ohnehin fast alles studiert werden.

Nicht nur diese Möglichkeit hat sich mit der Zeit im Bildungssystem verändert. Wo früher in Bibliotheken ein Berg an Büchern bestiegen werden musste, kann heute eine künstliche Intelligenz (KI), etwa „ChatGPT“ befragt werden. Kostenfrei und mühelos entsteht so innerhalb weniger Sekunden eine vollständige Hausarbeit. Nicole Seib, Fachbereichsleiterin des sprachlichen Aufgabenfeldes der Heinrich-Mann-Schule empfiehlt aber einen kritischen und reflektierten Umgang mit künstlichen Intelligenzen, da die Richtigkeit der Antworten oft zu wünschen übrig ließe.

Zudem warnen Kritiker vor der Gefahr, dass Schüler die Fähigkeit verlieren könnten, eigenständig zu arbeiten und damit der Lerneffekt von Hausaufgaben entfällt. Sofern man die KI aber nur als zusätzliche Ideenquelle verwendet, könne man auch ihre Vorteile für sich nutzen, glaubt Seib. Ein wenig diskutiertes Thema in beiden Schulen war der Einsatz von Sternchen, Doppelpunkten oder Bindestrichen – Stichwort Gendern. „Es wurde sich auch nicht wirklich damit auseinandergesetzt“, erklärt Seib. Ähnliches sagt auch Wiedergrün, denn seitens der Schülerschaft wäre das Gendern „einfach kein Thema“ gewesen. Ob in den Prüfungen also überhaupt gegendert wurde, könne man erst nach dem Korrekturschluss herausfinden. Doch die Leitungen beider Schulen erklären: Punktabzüge gibt es für das Gendern nicht.

Von Maja Frühling

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