Rosenheim-Stiftung zeigt Auswahl zu „Krieg und Frieden“ Kunst, die unter die Haut geht

Verleihung des Kunstpreises der Bernd-und-Gisela-Rosenheim-Stiftung im Haus der Stadtgeschichte: Museumsleiter Jürgen Eichenauer, Bernd Rosenheim, Preisträger Loic Bonnefont mit seinem Werk „Les fous“ und Kuratorin Katja M. Schneider Bild: klein

Offenbach – Seit 30 Jahren besteht die Bernd-und-Gisela-Rosenheim-Stiftung, gegründet vom in Offenbach geborenen Maler, Zeichner und Bildhauer Bernd Rosenheim zur Förderung zeitgenössischer Kunst. Für 2023 rief er zum mit 5000 Euro dotierten Preis europaweit das Wettbewerbsthema „Krieg und Frieden“ aus, ohne zu wissen, dass es noch aktueller geworden ist. Preisträger ist Loic Bonnefont.

An Kunstfertigkeit kaum zu überbieten sind seine aus Grafit und chinesischer Tinte kombinierten Schwarzstein-Stift-Zeichnungen „Blumen des Friedens“ und „Die Verrückten“. Bonnefonts Bildformeln – zwischen Mensch-Blumen-Steinquadern und sich im Selbstzerstörungsrausch bekämpfenden, versteinert wirkenden Kriegern – lassen tief blicken.

Mithin gibt  die Stiftung im Haus der Stadtgeschichte Einblick mit 44 von einer Jury für den Preis nominierten Handzeichnungen, ausgewählt aus 1238 eingereichten Arbeiten. Der Rundgang mit Kuratorin Katja M. Schneider zeigt: Viele Werke sind preiswürdig, erreichen durchgängig hohes bis höchstes Niveau. Die Auswahl belegt, dass totgesagte realistische Zeichenkunst wieder Wertschätzung erfährt – dank Förderern wie Rosenheim.

Das Spektrum pendelt zwischen akribischer und dokumentarischer Darstellung kriegerischer Wirklichkeit, sich politisch einmischender Stellungnahme, kritischem Realismus in der Art von Otto Dix oder A. Paul Weber sowie freien Kompositionen zu Kriegsangst und Friedenssehnsucht. Dabei erstaunt das künstlerische Niveau von Computerspielen wie „Battlefield 1“, auf das sich Handzeichnungen von Gisbert Danberg beziehen. Was Konsumenten unterhalten soll, zeigt Schlachtfelder mit Rauch- und Nebelschwaden bei wechselnden Licht- und Wetterbedingungen, basierend auf altmeisterlichen Landschaftsdarstellungen der Kunstgeschichte. Danberg dokumentiert die so fragwürdige wie fantastische Schönheit eines zerstörten belgischen Dorfs mit Windmühle während der dritten Flandernschlacht im Ersten Weltkrieg – und zeigt, wie Krieg zur Unterhaltung wird.

Die Frage „Hat die Menschheit nichts gelernt?“ stellt sich in Martin von Lossas Bleistiftzeichnung „No. 366“. Sie zeigt einen jungen Mann mit Baseballmütze beim Selfie mit Smartphone vor dem 400 Jahre alten „Schlesischen Hungertuch“ zum Dreißigjährigen Krieg. Ins Tuch ist der Teufelskreis eingestickt: „Armut schafft Demut schafft Fleiß schafft Reichtum schafft Übermut schafft Krieg schafft Armut.“ Sprachlos macht Ursula Fabers Grafit- und Tuschezeichnung „Kollateralschaden“ – Kinder auf einem Panzerrohr sitzend und turnend, die unbefangen die kaputte Welt betrachten.

Unter die Haut geht Raimund Schemmels Triptychon zu angsterfüllt blickenden Kindern des Ukraine-Kriegs. Das Kriegsübel bei den Hörnern packt Olga Davids Mischtechnik „Schlafender F.“ mit gasmaskierten Soldaten und Hunden vor gepanzertem Pferd, bereit für die Schlacht. Das darunter in Großbuchstaben stehende „No War“ springt ins Auge, verhallt aber ungehört.

Mit dem Symbol missbrauchter Friedenstauben befassen sich mehrere Arbeiten, keineswegs verschweigend, dass orientierungsstarke Tauben für Kriegszwecke hinter der Front eingesetzt werden. Bei Anna Recker gefrieren die Tauben zu Ornamenten des Schreckens. Erinnerungen an US-amerikanische „Leichensäcke“ des Golfkriegs steigen hoch, wenn verpackte oder verhüllte Körper ins Bild kommen wie bei Stefan Schmidts Schreckensästhetik.

Große Kunst findet sich ebenso in Gabi Roters Tusche-Kohle-Zeichnung „Balance“ zum Kampf zwischen einem radschlagenden, paradiesischen Pfau und einem barocken Totenreiter, in Thomas Bühlers moderner Version zum apokalyptischen Reiter oder bei Isolde Nagels Informationsflutverweigerin in „Jetzt gerade nicht“.

„Krieg und Frieden“

ist im Haus der Stadtgeschichte (Herrnstraße 61) bis 18. Januar zu sehen. Im Begleitprogramm ist am Samstag, 2. Dezember, 15 Uhr, „Weihnachten – ein Fest des Friedens“, Familienführung mit Astrid Jäger, geplant. Der Eintritt kostet fünf Euro, für Kinder ist er frei.

Von Reinhold Gries

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Kommentare

Sehenswert- lesenswert

Danke für diesen wunderbaren Artikel. In der Tat ist es beeindruckend so viel hochkarätige Zeichnungen an einem Ort zu einem Thema zu sehen.