Letztes Stück im Wohnzimmertheater Ankommen und Abschied nehmen

Die Ankunft am Bahnhof ist in diesem Fall eines ersehnten ersten Dates zugleich das Ende aller Illusionen. Bild: Ziesecke

Rödermark – Die letzte Premiere im Nedelmann’schen Wohnzimmertheater nimmt gerade Fahrt auf. „Leben in vollen Zügen“ heißt das Stück, das Friederike und Oliver Nedelmann aktuell spielen – bis im Sommer der letzte Applaus erklingt. Auf kleinsten Raum, auf knapp einem Quadratmeter, ist das letzte aller Stücke im Wohnzimmertheater in der alten Telenorma-Villa konzipiert. Die Schauspieler Friederike und Oliver üben hier wohl schon, demnächst mit wenig Platz klarzukommen – ziehen sie doch in Kürze aus ihrem Theater aus in eine kleine Wohnung ganz in der Nähe.

Ein Quadratmeter, der zugleich ein Zugabteil, ein Bahngleis und sogar eine Zugtoilette symbolisiert, je nach Position der Multifunktions-Requisite ... Wie denn, beim Halt auf Bahnhöfen darf man im Zug inzwischen auf die Toilette gehen? Ja – inzwischen darf man. Wer die Deutsche Bahn nicht allzu oft nutzt, wird vieles wiedererkennen, was den eher ungeübten Bahnreisenden in diesem Stück widerfährt. Beim „Leben in vollen Zügen“ passiert so manches vom Kennenlernen über missglückte Dates bis zu ebenso missglückten Banküberfällen.

Die Schwächen der Bahn wie (liebevoll recherchierte) Verspätungen, „überfahrene“ Haltestationen oder der Kaffee im Abteil sind hintergründig vermischt mit so manchem Detail aus dem Leben der Schauspieler. Vom Abschied und vom Ankommen sind die Parallelen zum Leben der Akteure natürlich rein zufällig. So unterbricht Autor und Hauptdarsteller Oliver Nedelmann schon mal sein Stück, um den Zuschauern die immer präsenten Fragen zu erklären: „Wie lernen Sie Ihre Rollen? Und wie sind Sie auf die Idee gekommen?“

„Die Idee stammt aus einer alten Inter-Rail-Zeitung, aber die Muse hat mich nie dazu geküsst: Jetzt, während der Corona-Zwangspause, lief es wieder.“ So auch bei dem Lied, das Oliver Nedelmann intoniert: „Liegen ist Frieden – mein Geschenk an die Welt“.

Ein Geschenk und zugleich wunderbare Bonbons oben drauf und rundherum um diese quicklebendige Bahngeschichte sind die herzerfrischenden Durchsagen, die bekannte Rödermärker eingesprochen haben und die nun von den Zuhörern aus dem Hintergrund erraten werden können: Ehrenbürgermeister Roland Kern, sein Nachfolger Jörg Rotter, Erste Stadträtin Andrea Schülner, Petruspfarrer Oliver Mattes, Metzger Tobias Lang, Stadträtin Karin von der Lühe, Comedian Henni Nachtsheim. Sie alle haben sich auf ihre Art noch einmal im Wohnzimmertheater verewigt. Allein diese Durchsagen sind schon den Besuch wert.

Natürlich haben auch die Zuschauer Abschiedsgefühle. Und das nicht erst bei der Schlussszene der „vollen Züge“. Die ausgebreiteten Arme von Friederike und Oliver Nedelmann sind gewaltig einem Filmklassiker nachempfunden. Aber nein, sie werden nicht untergehen, sie werden nur ihr Leben ändern, aber sie werden ihren Fans erhalten bleiben, Nedelmann und Nedelfrau.

Zur Gegenwart und zur nahen Zukunft: Typische Stücke wie „Wetten, dass“, „Joe“ oder „Shirley Valentine“ sind ab jetzt (erst einmal) Vergangenheit. Ab jetzt gibt’s nur noch „Leben in vollen Zügen“. Und das ist ebenso wörtlich wie symbolisch zu sehen. Das letzte Stück der Nedelmanns in ihrem privaten Wohnzimmer und – falls witterungsmäßig irgend möglich – im Freien vor dem Küchenfenster spiegelt nicht nur die Geschichte der Deutschen Bundesbahn wieder, sondern auch ganz viel Leben von Friederike und Oliver Nedelmann.

Leben in vollen Zügen: Das Theaterpaar wird dies ab Juli sicher öfters in Anspruch nehmen können, hoffentlich aber auch im symbolischen Sinne nutzen: Nicht mehr dauernd zwischen Textlernen, Sprechproben und Aufführungen hin- und herhetzen, sondern ab und zu auch einfach das Leben in vollen Zügen genießen. Wohl alle Besucher des Wohnzimmertheaters wünschen ihnen das, doch stets in der Hoffnung, dass es weiterhin „Kultur auf Rädern“ (zum Bestellen nach Hause, wie eine leckere „To-Go-Mahlzeit“) oder auch „Kultur in der Küche“ (in der bis dahin neuen Nedelmann-Küche zwischen Herd und Kühlschrank) mit kleinen Stücken und Gesprächen über Gott und die Welt geben wird.
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Spielplan

„Leben in vollen Zügen“ steht an folgenden Tagen auf dem Programmzettel: 5., 6., 12. und 13. Mai sowie am 7., 16., 17, 22. und 23. Juni (jeweils um 20.30 Uhr). Karten gibt’s über z 06074 4827616 oder in der Ober-Rodener Straße 5a; theater-und-nedelmann.de