Zweitplatzierter Architekturentwurf wurde realisiert „Typisch Mühlheimer Entscheidung“

An ein Mühlrad erinnert der Rathaus-Rundbau von oben: Im November 1983 wurde das Verwaltungsgebäude eingeweiht. Bild: prochnow

Mühlheim – Nicht alles, was drinnen entschieden wird, findet Zustimmung. Aber auf die „Verpackung“ ist man bis heute stolz: Im November wird das größte Mühlenrad der Stadt 40 Jahre alt. An dieses Symbol soll nämlich der Rundbau des Rathauses erinnern. Und genau deshalb habe sich die Politik damals für den eigentlich nur zweitplatzierten Entwurf des Architekten-Wettbewerbs entschieden, sagte gestern Bürgermeister Alexander Krey, der gemeinsam mit Stadtrat Karl-Heinz Stier und Ehrenbürger Horst Lehr an die Entstehungsgeschichte des Mühlheimer Rathauses erinnerte.

„In den 70er und 80er Jahren wurde in Mühlheim ungeheuer viel an Infrastruktur geschaffen”, blickte Lehr zurück. „Im Hauruckverfahren wurden vier Kitas und ein Hort aus dem Boden gestampft”, weiß der langjährige Erste Stadtrat noch genau. Auch Altentagesstätte und Seniorenwohnungen entstanden. Parallel wurden schienengleiche Bahnübergänge durch Unterführungen oder Brücken ersetzt.

„Nur an sich selbst hatte die Verwaltung nicht gedacht”, berichtete Stier. Die Ämter waren auf sieben, acht Zweigstellen verteilt, das Kulturamt saß im Bürgerhaus, das Einwohnermeldeamt residierte in einem Privatgebäude, das Bauamt war in einer Lederwaren-Firma untergebracht. Die Reibungsverluste waren entsprechend groß.

„Aber Bürgermeister Werner Grasmück wollte erst alle Einrichtungen für die Bürger bauen, ehe an ein Rathaus gedacht wurde“, betonte Stier. Als dann schließlich ein Architekturwettbewerb ausgelobt wurde, beteiligten sich daran 27 Planer.

„Der erste Platz erfüllte mit dem Plan einer Konstruktion aus Beton und Glas zwar alle Kriterien, aber wir trafen eine typisch Mühlheimer Entscheidung und wählten den zweiten Entwurf”, erzählte Lehr, „den runden Klinkerbau”. Und der stieß in der Bevölkerung auf viel Zustimmung, wie beim Tag der offenen Tür zur Eröffnung des Rathauses deutlich wurde. Tausende Besucherinnen und Besucher nutzten damals das Angebot und wandelten durch ihr neues Rathaus. „Alle Bediensteten haben in ihren Büros gesessen”, hat der heutige Vorsitzende des Geschichtsvereins noch vor Augen.

Im Erdgeschoss waren zunächst noch großzügige Ausstellungsflächen vorhanden. Sie fielen dem späteren Raumbedarf zum Opfer. Auch die Sozialstation mit Gemeindeschwester gibt es heute nicht mehr. Der treueste Nutzer des Gebäudes ist ein Zahnarzt, der erst kürzlich seine Praxis modernisiert hat. Und im früheren Hausmeister-Appartement im zweiten Stock wohnt heute eine Mitarbeiterin der Verwaltung.

Die 35 Beamten der Polizeistation seien zuerst eingezogen. Die Stadtwerke hatten ein Kundencenter im Nordflügel, die Maingas daneben. Die jetzige Tiefgarage war noch als Bunker für 1000 Personen ausgestattet. Eine Gaststätte lud zum Mittagstisch, schon lange ist dort die Zulassungsstelle zu Hause. Im Kinderhaus konnten die Angestellten ihren Nachwuchs abgeben.

Der Brunnen aber habe nie richtig funktioniert. Das möchte der aktuelle Rathauschef ändern und auch wieder Blumen im Innenhof und auf dem Balkon vor seinem Dienstzimmer blühen sehen. Überhaupt sollen mehr Veranstaltungen am Rathaus stattfinden – vielleicht bald ein Weinfest. Nur einmal fand dort der Weihnachtsmarkt statt, manchmal steigt noch ein Flohmarkt.

„18,1 Millionen D-Mark waren auch für die damalige Zeit ein stolzer Preis”, findet Krey. „Wir investieren fortlaufend, um den guten Bauzustand zu erhalten und den Brandschutzbestimmungen zu genügen”, hieß es. „Funktionalität und Standort haben sich bewährt”, resümierte der mittlerweile fünfte Bürgermeister in dem Haus. Drei Erste Stadträte arbeiteten bislang in der Hausnummer 20, insgesamt sind heute fast 160 Personen in dem Verwaltungsgebäude tätig.

Von Michael Prochnow