Beim Egelsbacher Flugtag können Kinder mit Behinderung „abheben“ Einmaliges Erlebnis über den Wolken

Aufgeregt vor seinem ersten Flug überhaupt war Samuel Raum: Gemeinsam mit Papa Sebastian Sommer ist er in die Maschine von Pilot Arnim Stief gestiegen – und kam am Ende des Rundflugs freudestrahlend wieder heraus. Bild: Dietsche

Egelsbach – „Jetzt kurz vor dem Start bin ich doch ein bisschen aufgeregt“, sagt der elfjährige Samuel, als er beim Flugtag der gemeinnützigen Gesellschaft 8viation GmbH aus Spiesheim/Rheinhessen in die Maschine von Pilot Arnim Stief am Egelsbacher Flugplatz einsteigt. Er klettert – voller Vorfreude auf den ersten Flug seines Lebens – in die hintere Sitzreihe des kleinen Fliegers, schnallt sich an und hält sich am Fensterrahmen fest. Papa Sebastian ist gelassen, denn der Pilot fliegt schon seit mehr als 50 Jahren von Kontinent zu Kontinent, wie er seinen Passagieren erzählt. Bereits viermal hat Stief die Welt umrundet, unlängst war er in Afrika. Einige Minuten später rollt die Maschine zur Startbahn, der Tower erteilt die Startgenehmigung, und das Flugzeug hebt ab in Richtung Westen zur A 5. Neben Samuel erhalten über den Tag hinweg mehr als 120 Kinder und Jugendliche mit sozialen und/oder körperlichen Einschränkungen, von 8viation „Engel“ genannt, die Möglichkeit zum Mitfliegen.
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Ein gutes Dutzend Maschinen des Flugplatzes startet und landet in engem Takt. Die Kinder und Jugendlichen kommen aus inklusiven Schulen, Pflegeeinrichtungen und anderen sozialen Organisationen in Darmstadt, Langen, Dreieich und Umgebung. Mehr als 60 Rundflüge ermöglichen ihnen den Traum vom Fliegen.

Der Flugtag ist bereits das dritte Event dieser Art, in den Jahren 2022 und 2023 wurde es an anderen Flugplätzen in Hessen und Rheinland-Pfalz veranstaltet. Die Maschinen und Piloten werden dabei von lokalen Flugschulen und Vereinen bereitgestellt, die am Flugplatz Frankfurt-Egelsbach ansässig sind. „Ich bin immer wieder überwältigt, was für ein tolles und besonderes Event das ist“, sagt Christian Majer, Geschäftsführer der Triwo Egelsbach Airfield GmbH, die den Flugplatz betreibt und die Aktion über den Tag hinweg mit Personal unterstützt. Derweil schwebt Samuel mit seinem Papa über den Orten südlich von Egelsbach. „Schaut mal, das hier unten ist Darmstadt“, erklärt Pilot Arnim Stief nach ein paar Minuten, bevor er den Kurs in Richtung Bergstraße setzt. Die Maschine bewegt sich sanft, aber immer mit dem stetigen Geräusch des Motors, über die vielen Hügel, Felder und Weingüter hinweg. Der Flieger ist zwar etwas wackeliger als ein großes Passagierflugzeug, doch Samuel macht das nichts aus – er genießt den Flug. Beim 517 Meter hohen Melibokus, dem höchsten Landschaftspunkt der Bergstraße, kurz vor Bensheim, macht Arnim kehrt und lenkt das Flugzeug in einer 180-Grad-Kurve wieder Richtung Egelsbach.

Auf dem Rückweg bietet sich ein malerischer Anblick der grünen Bäume der Koberstadt. Zugleich tut sich am Himmel ein sensationelles Spektakel der tief hängenden Stratocumulus-Wolken auf – immer wieder lässt sich die strahlende Sonne erblicken. Nach etwa einer halben Stunde Flugzeit setzt der Flieger wieder sanft auf der Landebahn des Egelsbacher Flugplatzes auf und rollt zu seiner Parkposition zurück.

„Wie fandest du es, Samu?“, fragt Papa Sebastian. „Sensationell! Mir haben die vielen Bauernhöfe sehr gefallen, an denen wir vorbeigeflogen sind“, schwärmt Samuel.

Ein paar Meter weiter bringt Katja Kölker von 8viation bereits Jayden und seinen Bruder Benjamin zu ihrem Flugzeug. „Die Aktion ist für mich jedes Jahr ein Highlight. Wenn man das strahlende Lächeln der Kinder sieht, weiß man, wofür man das macht“, erzählt Kölker. „Wir wollen es ermöglichen, etwas Unmögliches zu machen.“

Für viele Kinder sei der Tag am Flugplatz eine Möglichkeit, dem Alltag zu entkommen und einen besonderen Tag mit der Familie zu verbringen – das sei nicht selbstverständlich. Der Flugtag bleibe sicher vielen noch lange in Erinnerung.  jus