Ausstellung über einen Mutigen im Museum Judengasse „Wer war Fritz Kittel?“

Eine szenische Lesung mit Julia von Sell (links) und Esther Dischereit. Bild: Faure

Innenstadt (jf) – Esther Dischereit blätterte in alten Papieren. Fand Adressen ihrer Mutter und ihrer Schwester. Illegale Adressen. Falsche Namen. Aber sie stimmten mit dem Antrag auf Entschädigung als Verfolgte des Naziregimes überein. Mutter und Schwester, die eigentlich Hella und Hannelore Zacharias heißen, sprachen mehrmals über Fritz Kittel. Ohne ihn hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt. Wer also war dieser Fritz Kittel?

Ein Reichsbahnarbeiter. Er traf Mutter und Tochter Zacharias 1944 in Sorau, dem heutigen Zary in Polen. Er versteckte die beiden. Im Februar 1945 schlossen sie sich Fritz Kittel an, flohen nach Heringen an der Werra. Dort wurde Kittel als Güterbodenarbeiter eingesetzt. Er fälschte die Papiere, meldete Hella und Hannelore als seine Frau und seine Tochter an. Am 1. April 1945 befreiten US-amerikanische Truppen den Ort. Die Wege trennten sich.

2019 traf Esther Dischereit den Enkel von Fritz Kittel, Peter Kittel, in Heringen. Sie begaben sich auf Spurensuche, Susanne Kill, Historische Sammlung der Deutschen Bahn AG, unterstützte sie. „Etwa 3,5 Millionen Menschen wurden mit Sonderzügen der Deutschen Reichsbahn deportiert. Diese Ausstellung beleuchtet die mutige Tat eines Eisenbahners, er war einer von etwa einer Million Mitarbeitern. Die Exposition, eine Wanderausstellung, stellt die Frage, was wir wissen können und wissen wollen“, sagte Kill jetzt auf der Vernissage im Museum Judengasse.

Ernestine Dickhaut, eine Tochter von Fritz Kittel und die Tante von Peter Kittel, hatte zur Spurensuche beigetragen. So sind in den drei Vitrinen viele Leuchtkästen mit Erinnerungsstücken – Dokumente, Bilder, Objekte – zu sehen.

Fritz Kittel sprach mit seiner späteren Familie nie über seine Fluchthilfe. Wie viele Menschen halfen damals jenen, die verfolgt wurden? Nach Erkenntnissen von Esther Dischereit müssen es bei der Flucht ihrer Mutter und Schwester einige gewesen sein.

„Ich wünsche mir, dass auch heute Geflüchteten geholfen wird. Die immer höher werdenden Zäune an Europas Grenzen sind deprimierend“, erklärte Dischereit. Gemeinsam mit Julia von Sell trug sie bei einer szenischen Lesung Texte ihrer Spurensuche vor.

Die Blätter kann man sich im Anschluss in der Ausstellung aus den Leuchtkästen der Vitrinen mit nach Hause nehmen. Die Exposition in einem Studioraum des Museums Judengasse, Bertha-Pappenheim-Platz 1, ist bis zum 15. Oktober zu sehen. Infos auf juedischesmuseum.de.