„Wir bringen Flüchtlinge und Einheimische zusammen – Sport braucht keine Sprache“ bei der SG Bornheim Vernetzte Hilfen und viele Ideen

Gesprächsrunde mit Ulrich Fliess, Gert Neuwirth, Danijel Pajic, Paul Ditze, Khadija Souieh und Harald Seehausen. Foto: Faure

Bornheim (jf) – 1993. Balkankrieg. „Das hat unseren Verein fast zerrissen“, kommentierte Harald Seehausen, Vorstandsprecher der SG Bornheim Grün-Weiß, das Ereignis vor 23 Jahren. Damals nahm die Sportgemeinschaft nicht nur an einer Menschenkette für den Frieden teil, sondern bildete junge Flüchtlinge aus den Balkanstaaten auch als Kindertrainer aus. Einige, so wie Danijel Pajic, engagieren sich heute noch für den Vereinssport und für Flüchtlinge.

April 2015: Elf Flüchtlinge aus Syrien, Somalia und Eritrea sitzen im Vereinsheim und essen. Der Kontakt entstand über das internationale Kochen im Familien-Sport-Café der SG Bornheim. Doch es wird nicht nur zusammen gegessen, es wird auch probeweise trainiert. Zunächst stößt das auf Irritationen bei verschiedenen Vereinsmitgliedern. Ein Jahr später werden diese elf Menschen immer noch vom Verein begleitet.

Soweit zwei Geschichten, die Seehausen der Zusammenkunft im Vereinsheim mit knapp 70 Teilnehmern voranschickte. Es folgte der Trickfilm „Welche Richtung?“, ein von Tanja Schmidt geleitetes Projekt der Stadtbibliothek mit geflüchteten Jugendlichen. Die Mädchen und Jungen erzählen von ihrer Flucht, von weiten Wegen, Tod und Zerstörung. Und von Zukunftswünschen in ihrer neuen deutschen Heimat.

„Der Film ist doch ein einziger Hilferuf“, sagte Ehrenvorsitzender Klaus Schmidt nach dem Film, „die Politik ist gefragt, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen.“ SG-Integrationslotsin Khadija Souieh sprach für den Verein: „Wir unterstützen die Flüchtlinge sprachlich, begleiten sie auf Behördenwegen.“ Ein Netzwerk sei aufgebaut worden, zu dem auch Anwälte gehörten, fügte der Vorstandssprecher hinzu.

„So ein Leben auf der Flucht kann man sich gar nicht vorstellen“, bemerkte ein deutsches Vereinsmitglied. Ein anderer am Tisch, der vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen war, sagte: „Die Tradition ist für die Geflüchteten wichtig, weil sie oft sehr große Verluste erleiden mussten.“ „Eine Zeit der Jugend, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es beispielsweise in Afghanistan gar nicht“, erläuterte Gert Neuwirth, erfahrener und langjähriger Leiter des Jugendhauses Heideplatz. „Diese jungen Leute erleben so etwas erst in Deutschland.“ Für alle Helfer sei es wichtig, die Hintergründe zu verstehen. Das Jugendhaus könne andere Angebote machen als die Schulen.

In einer Gesprächsrunde stellten sich die Teilnehmer vor: Khadija Souieh berät Familien mit geringen Einkommen und tritt über den Verein hinaus, in dem 52 Nationen vertreten sind, als Sprachmittlerin auf. Jeden Montag kocht sie im Familien-Café mit den Anwesenden. „Wir kooperieren dabei mit Einrichtungen der Familienbildung im Stadtteil“, sagte sie.

Paul Ditze vom Gewerbeverein Bornheim-Mitte erzählte von seinen Erfahrungen mit dem jungen Praktikanten Mohammad. „Er ist ein ruhiger, gelassener und sympathischer Mensch“, charakterisierte der Elektro-Unternehmer seinen Praktikanten aus Syrien. Dabei ging es auch um schwierige Worte wie „Bohrfutterschlüssel“: „Wir haben uns verstanden, was zunächst nicht mit Sprache klappte, wurde gezeichnet“, erzählte Ditze. „Ich hatte schon viele Praktikanten. Von Mohammad war ich angenehm überrascht. Eine tolle Erfahrung“, bilanzierte Ditze. „Außerdem kann Mohammad sehr gut mit Kindern umgehen; jeden Montag spielt er mit den Kindern des pädagogischen Mittagstischs unseres Kinder- und Familienzentrums“, berichtete Seehausen. Gert Neuwirth erzählte, dass das Jugendhaus Heideplatz mit Spenden ein „Rapical“ einstudieren konnte. Die Aufführung dieser Mischung aus Rap und Musical vor 200 Zuschauern war absolut gelungen. „Als meine Familie 1993 aus Bosnien nach Deutschland kam, erhielten wir viel Unterstützung. Bei der SG Bornheim habe ich Freunde gefunden“, sagte Danijel Pajic. Inzwischen ist er in Frankfurt der erste kommunale Sport-Coach, der zwischen Sportvereinen, Flüchtlingsinitiativen, Wohlfahrtsverbänden und Jugendhäusern Kontakte knüpft. „Die Flüchtlinge spielen zwar auf unserem Platz, sind aber trotzdem unter sich. Das sollten wir ändern“, meinte Pajic. Er weiß auch um die Schwierigkeiten, Flüchtlinge in den regulären Spielbetrieb zu integrieren. Deshalb ist eine Vernetzung mit anderen Vereinen wichtig. Ein Beispiel ist das Projekt Skyline Soccer. Initiator Ulrich Fliess sagte dazu: „Wir organisieren dienstags und donnerstags Fußball für Flüchtlinge mit der SG Bornheim und mit Rot-Weiß Frankfurt. Dabei hilft uns der afghanische Nationalspieler Khaibar Amani – dessen Name zieht.“

Danijel Pajic brachte es auf den Punkt: „Als ich bei der SG Bornheim gespielt habe, war ich im Austausch mehrere Tage in einer deutschen Familie. Das hat mir geholfen, die Deutschen zu verstehen. Ich würde allen Flüchtlingen solche Möglichkeiten wünschen.“

Gül Keskinler, Integrationsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes, war beeindruckt: „Es ist toll, was da – auch von den vielen Ehrenamtlichen – auf die Beine gestellt wird. Bildung und Qualifizierung sind wichtig. Und wir sollten die Erfahrungen der Flüchtlinge nutzen.“