MKV und LOV sagen Fastnachtsumzüge in Mühlheim und Lämmerspiel ab Dem Brauchtum verpflichtet

Schwere Entscheidung: Die MKVler Michael Schmidt (von links), Vorsitzender Andreas Sattler sowie Georg Fischer und Holger Maue von den LOV haben die Fastnachtsumzüge in Mühlheim und Lämmerspiel abgesagt. Foto: m

Mühlheim – Sie haben am längsten gezögert, auf Besserung gehofft, doch nun sagten sie den Rosenmontags- und den Fastnachtszug am Fastnachtsdienstag in der Mühlenstadt ab. Vorsitzender Andreas Sattler und Michael Schmidt vom Mühlheimer Karnevalverein (MKV), Georg Fischer und Holger Maue von den Lämmerspieler Ortsvereinen (LOV) gaben unlängst ihren Entschluss bekannt.

Züge mit Zuschauerreihen hinter Masken, in Stadtvierteln verteilte Wagen und Fußgruppen, zirkulierend oder feststehend, vom Publikum besucht – die Fastnachter geben auf. Keine Alternative könne ihren Vorstellungen und ihrem Verantwortungsbewusstsein genügen, obwohl Landesvater Volker Bouffier persönlich grünes Licht für die Straßenfastnacht gegeben hat. „Aber unter Hygienevorschriften“, wirft Fischer ein.

Die närrischen Lindwürmer seien genehmigungspflichtig, „kein Amt würde eine Erlaubnis erteilen“, glaubt die Runde. „Welches Hygienekonzept könnte greifen?“, fragt der Gastgeber im MKV-Heim. „Eineinhalb Meter auseinanderstehen, so macht Fastnacht keinen Spaß und keinen Sinn!“ Sie haben sogar über einen gemeinsamen Umzug nachgedacht, berichtet Sattler. Doch, „es wird auch keinen nach Aschermittwoch geben, da endet die Fastnacht und wir fühlen uns dem Brauchtum verpflichtet“. Das Quartett nickt einmütig.

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„Wir wollten warten, Fakten beurteilen“, erläutert der Organisator des Rosenmontagsspektakels. „Jeder unterliegt seinen Zwängen und muss individuell entscheiden“, zeigt Sattler Verständnis für die Schnellentschlossenen in den Narren-Hochburgen in der Nachbarschaft. Das Duo wollte aber nicht am „Absage-Wettrennen“ teilnehmen. „Dafür gab es keine Not“, argumentiert „Auge“ Schmidt und demonstriert Einigkeit: „Entweder laufen beide Züge oder keiner, das war klar. Wir haben gemeinsame Interessen, bewegen uns auf einer Wellenlänge.“

„Wir haben alle Vereine angeschrieben, die sonst dabei sind“, informiert Fischer. Viele haben sich gar nicht gerührt, andere warten ab, signalisieren, „wenn was ist, machen wir auf jeden Fall mit“. Aber es ist nichts mehr. „Einen Fastnachtswagen beim TÜV vorzuführen kostet 250 Euro“, gibt Maue zu bedenken, „aber das wäre allen egal gewesen“, schildert der einstige „Hexer“ vom Lämmerspieler Carneval-Verein (LCV).

Beauftragte Musikkapellen haben keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihr Auftritt pandemiebedingt abgesagt wird, heißt es. Der Verzicht auf den Brauch sei für den MKV also finanziell gesehen eine „Nullnummer“: Keine Einnahmen, keine Ausgaben. Die haben nun auch die LOV nicht und benötigen so kein Geld aus dem Verkauf der Anstecker mit den Konterfeis der Tollitäten.

Manche Vereine erleiden Verluste, weil ihnen der Gewinn aus Verkaufsständen am Zugweg entgeht. Für andere sei der Verzicht auf die Tradition gar existenzbedrohend, geben die Männer zu bedenken. Nahezu alle Saalveranstaltungen, Maskenbälle und Sitzungen seien gestrichen. Der MKV glaubt aber an eine Wiederkehr der Fünften Jahreszeit und will im Sommer seinen Zugmarschallwagen renovieren, dass er 2023 in neuem Glanz erstrahle, hegt Sattler Hoffnung.

Der Possmann-Cup fürs Männerballett stehe noch. „Der Wettbewerb ist keine Karnevalsveranstaltung“, erläutert Sattler, aber viele Gruppen hatten keine Möglichkeiten, einen Beitrag einzustudieren. „Der Termin im März wird geprüft, der Cup könnte auch im Frühsommer steigen.“ Für den 28. Mai plant der MKV zudem ein Hoffest, um endlich sein neues Vereinsheim an der Siemensstraße einzuweihen.

VON MICHAEL PROCHNOW