Jubiläumsausstellung „850 Jahre Rückingen und 775 Jahre Wasserburg“ Ein Ort, um Kaufleute zu schröpfen

Der zweite Vereinsvorsitzende Hartmut Fax und Werner Borngräber (rechts) betrachten die Bild- und Texttafel zur neuen Ausstellung. Bild: detlef sundermann

Erlensee – Dass sich einst die Herren von Rückingen an der Kinzig niedergelassen haben, wo heute die Stadt Erlensee liegt, war weniger der hübschen Fluss- und Auenlandschaft dort geschuldet, sondern des regen Warenverkehrs auf dem Fluss, der sich seinerzeit breiter und wasserreicher durch das weite Tal bewegte.

Die Kähne darauf fuhren mit der Strömung gen Hanau. Nach Gelnhausen hoch musste getreidelt werden. Ochsen oder Pferde zogen die mit Weizen, Stoffen oder Tonwaren beladenen Booten gegen den Fluss. Ob Berg- oder Talfahrt, jedes Mal ging es vorbei an der Wasserburg der Rückinger Ritter, die von den Schiffern einen ordentlichen Zoll abkassierten, bevor sie weiter ziehen konnten. Erst König Ruprecht von der Pfalz soll dem mutmaßlichen Raubrittertum an der Kinzig ein Ende gesetzt haben, wohl nicht zuletzt aufgrund der Klagen der Kaufleute, die womöglich bis Frankfurt einen nicht unerheblichen Teil ihrer Ladung auf diese Weise eingebüßt hatten.

Der Geschichtsverein Erlensee lässt diesen Teil des heutigen Stadtteils Rückingen am morgigen Sonntag, 10. September, von 11 bis 17 Uhr wieder aufleben. Anlass ist die ersturkundliche Erwähnung des Ortes vor 850 Jahren und der Burg vor 775 Jahren.

Auf Tafeln werden die Gründungszeit und der Fortgang des bis in die 1970er Jahre eigenständigen Dorfes über die Jahrhunderte in einer Sonderschau im Heimatmuseum Wasserburg dargestellt. Der Herrenhof, die Kapelle und einige Wohngebäude – unter Letzteren war gewiss auch ein Wirtshaus zu finden – säumten die Chaussee nach Hanau und Rodenbach. So beschreibt etwa eine Karte aus dem 16. Jahrhundert die Siedlungsgröße. In einer zeitgenössischen Zeichnung ist das „Schlösschen“ mit seinem markanten Treppenturm zu sehen, das nach der Renovierung vor 14 Jahren nun wieder wie einst dasteht. Andere Bauten, die in Zeichnungen oder Fotografien in der Ausstellung präsentiert werden, sind hingegen längst aus dem Ortsbild verschwunden. Die Kapelle des Herrenhofs etwa, die noch 1605 einen erdrückend wirkenden Renaissancegiebel erhielt, wurde 1912 ungeachtet ihrer doch für eine Dorfkirche prächtigen Innenausstattung abgerissen.

Auch von der großen Anlage des Herrenhofs zeugen heute nur noch das „Schlösschen“ und eine Scheune. Was nicht mehr genutzt wurde, wurde über die Jahre abgebrochen, die Steine anderswo im Dorf in neue Häuser eingesetzt.

Mit der Ersterwähnungsschau bietet der Geschichtsverein einen kurzweiligen Einblick in die Ortshistorie, nicht nur für Neubürger. Objekte aus den jeweiligen Epochen begleiten die Schautafel jedoch nicht. Allerdings gewähren die Dauerausstellungen in den Museumsräumen zumindest bis ins 19. Jahrhundert Einblicke in ein bürgerliches Wohnzimmer, eine einfache Stube oder auf Arbeitsplätze der Rückinger, wenn sie denn nicht Bauer von Beruf waren oder die Landwirtschaft die Familien nur zum Teil ernähren konnte.

Wem die Geschichte dann immer noch nicht plastisch genug erscheint, der hat zur Eröffnung der Sonderausstellung die Möglichkeit, gegen 14 Uhr an einer unterhaltsamen Führung mit zwei historisch Bewanderten – „Lisbeth und Lambertus“ – teilzunehmen. Es geht zu den alten Orten. Dabei wird etwa auch über das weitere Schicksal der einst von einem Graben umspülten Burg, der von der Kinzig abging, und die Bewohner des Herrenhofs berichtet. Ab Montag, 11. September, wird die Schau im Foyer des Rathauses in Erlensee zu den regulären Öffnungszeiten gezeigt.

Von Detlef Sundermann