Wildtierfreunde Maintal appellieren, bei Vögeln zu unterscheiden Viele Notfälle sind gar keine

Diese Amseln waren samt Nest zu Boden gefallen. Die Nestlinge wurden mit viel Mühe wieder aufgepäppelt. Bild: kbr

Maintal – Seit 2005 helfen die Wildtierfreunde verletzten und in Not geratenen heimischen Wildtieren, gesund und lebensfähig in die freie Wildbahn zurückzukehren. In den vergangenen Wochen bekommen die Tierschützer täglich unzählige Meldungen über Notfälle, die gar keine sind. Sing-, Raben- und Greifvögel werden von besorgten Spaziergängern oder Gartenbesitzern aufgesammelt. Sehr zum Ärger von Sonja Niebergall, Vorsitzende der Wildtierfreunde Maintal. „Die Leute sammeln Vögel auf, ohne sich vorher zu informieren. Es ist eine Katastrophe.“

In diesem Jahr registriert die Wildtierstation in Dörnigheim so viele Meldungen über vermeintlich verwaiste Jungvögel wie noch nie. Über 50 Anrufe gehen zwischenzeitlich pro Tag beim Verein ein, dazu kommen Fundmeldungen per Mails und SMS. „Es ist eine wahre Flut in diesem Jahr. Wir können gar nicht alles beantworten“, so Niebergall, die wie ihr kleines Team ehrenamtlich arbeitet. Das Problem: Gerade mal fünf von 20 gefundenen Vögeln seien Nestlinge und damit echte Notfälle, erzählt Niebergall, die mehr Aufklärung fordert. Der Rest sind Ästlinge. Entscheidend sei, dass die Menschen den Unterschied kennen. Nestling wird ein kleiner Vogel genannt, der noch im Nest von seinen Eltern gefüttert wird. Er hat häufig geschlossene Augen, wenige bis gar keine Federn, bewegt sich wenig und kann noch nicht alleine stehen. Fällt ein Nestling aus seinem Nest, wird er nicht mehr von seinen Vogeleltern am Boden gefüttert oder wieder ins Nest zurückgebracht. „Dieser verwaiste, hilflose Vogel braucht natürlich Hilfe“, sagt Niebergall.

Sofern das Nest erreichbar ist, könne man versuchen, den Nestling zurückzusetzen. Dass Vogeleltern ihr Junges nach dem menschlichen Kontakt nicht wieder annehmen, stimme übrigens nicht. „Das gilt nur für Säugetiere“, weiß die Chefin der Wildtierfreunde. Wichtig: Das Junge darf nicht gefüttert oder Wasser mit einer Spritze verabreichen werden. „Wenn die Jungvögel gierig schlucken, kann es passieren, dass das Wasser in die Luftröhre gelangt und sich eine Lungenentzündung entwickelt“, so Niebergall. Besser sei es, ein wenig Wasser auf die Luftlöcher des Schnabels zu träufeln.

Die meisten Vögel, die den Wildtierfreunden gemeldet werden, sind jedoch sogenannte Ästlinge: Dieser Jungvogel hat schon alle Federn, er kann alleine stehen, aber noch nicht richtig fliegen. Die Eltern kommen in regelmäßigen Abständen und füttern, bis der Nachwuchs geübt genug ist, um selbst richtig zu fliegen und den Eltern zu folgen. „Wer solch einen Vogel im Garten oder auf der Terrasse entdeckt, sollte aus einiger Entfernung beobachten, ob er gefüttert wird. Ist das der Fall, ist alles in Ordnung“, sagt Niebergall. Sollte der Vogel auf der Straße oder einem Ort sitzen, wo viel los ist, dürfe man ihn auch im Umkreis von 25 Metern umsetzen, in ein Gebüsch oder ins hohe Gras. Sitzt ein Ästling über längere Zeit bewegungslos in der prallen Sonne oder sei er augenscheinlich verletzt, müsse er natürlich aufgehoben und in fachkundige Hände gegeben werden.

Von Kristina Bräutigam

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