Werke der 1930er- und 1940er-Jahre im Fokus Welt in Aufruhr: Schirn zeigt Chagall

Das Plakat zur Ausstellung „Die Welt in Aufruhr“.

Altstadt (jf) – Marc Chagall ist einer der bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine schwebenden Gestalten, seine eruptiven Farben, seine fantastischen Wesen bezaubern die Menschen seit hundert Jahren.

„In dieser Ausstellung werden allerdings Tragik, Verzweiflung und dramatische Entwicklungen im Leben des jüdischen Künstlers thematisiert“, erklärt Sebastian Baden, seit 1. Juli Direktor der Schirn Kunsthalle, die seine Kunst jetzt ausstellt: „Chagalls Werke erfreuen und bestürzen gleichermaßen.“

1887 im damals russischen Witebsk in einer jüdischen Familie geboren, erhielt Marc Chagall 1911 ein Stipendium für Paris. Dort traf er Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Robert Delaunay. 1915 heiratete er Bella Rosenfeld, die er fünf Jahre zuvor kennengelernt hatte. Er zog mit ihr nach Petrograd (heute Sankt Petersburg), Tochter Ida wurde geboren. Chagall kehrte nach der Oktoberrevolution nach Witebsk zurück, wurde Kommissar der Künste. Weitere Stationen waren Moskau, Berlin und 1923 schließlich Paris. Dort begann er sein Gemälde „Engelssturz“, an dem er bis 1947 arbeitete.

1931 reiste er mit Familie auf Einladung von Meir Dizengoff, des späteren Bürgermeisters von Tel Aviv, nach Palästina. 1933 malte Chagall das Bild „Einsamkeit“. Die Nationalsozialisten verbrannten seine Bilder, stellten seine Gemälde 1937 in München als „Entartete Kunst“ aus. 1941 flohen Bella und Marc nach New York. „Not, Vertreibung, Erinnerungen im Exil – diese Themen sind unglaublich gegenwärtig“, äußert Baden.

2019, als die Exposition „Welt in Aufruhr“, die noch bis 19. Februar in der Schirn, Saalgasse 20, zu sehen ist, noch von Philipp Demandt konzipiert wurde, war ein Krieg gegen die Ukraine unvorstellbar. Kuratorin Ilka Voermann, die eigentlich seit 1. August die Grafische Sammlung der Berlinischen Galerie übernommen hat, ist für die Eröffnung der Chagall-Exposition nach Frankfurt gekommen: „Die Schirn zeigte 1991 sehr erfolgreich die Ausstellung ‚Marc Chagall. Die russischen Jahre 1906 bis 1922’. Auch 31 Jahre später ist das Interesse wieder groß.“ Chagall hat mit mehr als 1000 Gemälden, darüber hinaus Glasfenstern, Tapisserien und Kostümen, ein riesiges Konvolut hinterlassen. In der Schirn werden rund 60 Arbeiten von internationalen Leihgebern in sieben Kapiteln gezeigt. Wandtexte und Fotografien informieren über wichtige Lebensabschnitte.

1942 entwarf Chagall Bühnenbilder und Kostüme für „Aleko“, ein Ballett mit Musik von Peter Tschaikowski. 1944 starb Bella an einer Virusinfektion. Neun Monate lang konnte der Künstler nicht arbeiten. 1945 zerschnitt er das Gemälde „Die Zirkusleute“, schuf zwei neue Bilder; „Um sie herum“ zeigt rechts eine traurige Bella im roten Kleid, links den auf dem Kopf stehenden Marc. In der Mitte, einer Schneekugel gleich, sind die Häuser von Witebsk zu sehen. Auf dem zweiten Bild „Die Lichter der Hochzeit“ feiert ein Paar unter der Chuppa, dem jüdischen Traubaldachin.

Musikanten, Tiere und Fantasiegestalten umgeben das Paar. Nicht nur die geliebte Frau ist nicht mehr an seiner Seite. Auch die Erinnerung an eine gemeinsame Vergangenheit im ostjüdisch geprägten Witebsk kann nicht mehr geteilt werden. Doch die Arbeit geht weiter, der Künstler entwirft Bühnenbilder und Kostüme für das Ballett „Der Feuervogel“ von Igor Strawinsky.

Marc Chagall hält es nicht in den USA. 1948 kehrt er nach Frankreich zurück, zieht noch mehrmals um. Er beginnt, sich mit Keramik und Glasfenstern zu beschäftigen. 1958 schafft er das Großformat „Commedia de l’Arte“ für die Oper Frankfurt, zwischen 1979 und 1985 entstehen die Glasfenster für die Sankt Stephanskirche in Mainz.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm, ein Digitorial, ein Audio-Guide und ein Podcast begleiten die Ausstellung.