Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Gallus: Ein Stadtteil mitten im Wandel

Das Stadtteildenkmal „Living Stone“ symbolisiert den Wandel. Bild: -

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Dieses Mal ist das Gallus an der Reihe. Ich starte meine Tour am Hauptbahnhof und somit direkt an einem Wahrzeichen des Stadtteils: Das Empfangsgebäude mit seinem Portalbogen sowie die Bahnsteighallen des Kopfbahnhofs liegen auf der Gemarkung Gallus. Weiter geht’s um das Bahnhofsgebäude herum zur Friedrich-Ebert-Anlage, wo ich einen Blick auf das ehemalige Polizeipräsidium werfe. Das Land Hessen hat das denkmalgeschützte Gebäude 2018 an ein Düsseldorfer Unternehmen verkauft. Die Stadt Frankfurt und der Projektentwickler haben erst kürzlich einen städtebaulichen Vertrag zur Entwicklung des Areals unterschrieben, wo nun unter anderem eine Kita und Wohnungen entstehen sollen. In unmittelbarer Nachbarschaft zum alten Präsidium befinden sich die Falkschule und die evangelische Matthäuskirche, die einen wunderbaren Kontrast zu der Hochhauskulisse im Hintergrund bietet.

Ich begebe mich zum Bürohochhaus Pollux und der Skulptur „Synergie“ von Christian Herdeg auf dem Platz der Einheit. Zwei aneinander gelehnte leuchtende Ringe – einer rot, der andere blau – stehen für „Zusammenarbeit“. Eine recht treffende Symbolik für das in der Nähe entstehende Europaviertel auf dem ehemaligen Gelände des Hauptgüterbahnhofs. Die bereits fertigen Gebäude wirken futuristisch und eher kalt, kritische Stimmen bemängeln die Gleichförmigkeit der Wohnhäuser und die hohen Preise der Unterkünfte, Befürworter erhoffen sich durch das moderne Quartier eine Aufwertung des von Arbeitersiedlungen geprägten Gallus’. Mal sehen, inwieweit dort künftig „Synergien“ entstehen. Die rege Bautätigkeit ist jedenfalls unübersehbar: Kräne, Bauzäune und Brachflächen, die bearbeitet werden, prägen das Bild.

Vorbei am Einkaufszentrum „Skyline Plaza“ laufe ich an die Stelle, wo die Frankenallee auf die Kölner Straße trifft. Dort befindet sich der Lia-Wöhr-Platz nebst Gedenkstein für die prominente Bewohnerin des Gallus’. Wöhr war bekannt als Putzfrau Frau Siebenhals in der Fernsehserie „Die Firma Hesselbach“ und mimte die Wirtin in der Sendung „Zum Blauen Bock“ – allerdings war sie auch die erste Frau, die beim Deutschen Fernsehen als Produzentin tätig war.

In der Heinrichstraße werfe ich einen Blick auf die Feuer- und Rettungswache 2. Es ist die älteste noch genutzte Feuerwache in Frankfurt. Danach schaue ich mir in der Adam-Riese-Straße das lang gestreckte, wellige Werkstatt- und Verwaltungsgebäude an, in dem das Amt für Straßenbau und Erschließung, das Grünflächenamt und das Klimareferat untergebracht sind. Von dort ist es nicht weit zur Galluswarte, ursprünglich „Galgenwarte“, die im quirligen Straßengewirr steht. Der Verkehr der Mainzer Landstraße rauscht unablässig an dem Türmchen vorbei. Die parallel zur „Mainzer“ verlaufende Frankenallee ist wesentlich ruhiger. An vielen Stellen ist die Straße mit bunten Skulpturen aufgelockert, zentral verläuft ein Grünstreifen. In der Hausnummer 111 befindet sich das Bürgerhaus Saalbau Gallus, das eine bewegte Geschichte hat, denn dort wurde 1964 bis 1965 der erste Frankfurter Auschwitzprozess fortgeführt, der seinen Auftakt 1963 im Römer hatte. Plastiken des Künstlers Michael Sander im Eingangsbereich erinnern an die Geschehnisse.

Auf dem Weg zu meiner nächsten Station, den Adlerwerken, passiere ich das Familienzentrum Monikahaus des Sozialdiensts katholischer Frauen mit Einrichtungen wie dem „Monikaffee“ sowie die Katholische Kirche St. Gallus. Die Adlerwerke haben ebenfalls eine bewegte Geschichte. Das Fahrzeug- und Maschinenbauunternehmen unterhielt während des Zweiten Weltkriegs Arbeitslager für Zwangsarbeiter und erhielt auf Antrag, als Arbeitskräfte fehlten, die Zuweisung von KZ-Häftlingen. Im Gedenken an die Häftlinge im KZ-Außenlager „Katzbach“ wurde vor einem Jahr dort der „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“ eröffnet. In dem Gebäudekomplex ist zudem das „Gallus Theater“ zu Hause, eine Spielstätte für freie Theatergruppen.

Weiter geht es Richtung Lotte-Specht-Park, Europagarten und Gleisfeldpark. Unterwegs, an der Frankenallee Ecke Hattersheimer Straße, befindet sich die „Technische Sammlung Hochhut“. Die gleichnamige Stiftung präsentiert dort historische Fahrzeuge und Motoren. An jedem ersten Mittwoch im Monat werden Führungen durch die Ausstellung angeboten, unter techni sche-sammlung-hochhut.de erfährt man, wo man sich anmelden kann. Die zuvor genannten Grünflächen sehen im Moment noch karg aus, die Spielmöglichkeiten für Kinder werden aber gut genutzt. Ganz anders als die eher spartanisch ausgestatteten Parks präsentiert sich der „Gallus Garten“: Ein Nachbarschaftsprojekt, bei dem an der Schneidhainer Straße gemeinschaftlich gegärtnert wird. In den zahlreichen Hochbeeten stecken die Namensschilder der Beet-Paten, es gibt eine Kräuterspirale, ein Gewächshaus und Kompostbehälter, alles ist liebevoll angelegt, sauber und gepflegt.

Vorbei am Mehrgenerationenhaus an der Idsteiner Straße mache ich mich auf den Weg zum Gustavsburgplatz, denn dort steht das Stadtteildenkmal „Living Stone“ der Jugend-Kultur-Werkstatt Falkenheim Gallus. Von 2000 bis 2015 haben verschiedene Jugendliche den Stein immer wieder bearbeitet, der das Leben und den Wandel im Stadtteil in abstrahierter Form widerspiegelt. Dazu die passende Inschrift: „Nichts bleibt, wie es ist“. Zu guter Letzt geht es in das Gewerbegebiet, wo sich auch kulturelle Einrichtungen angesiedelt haben, wie das Musik-, Theater- und Tanzlabor der Moderne für Frankfurt Rhein-Main „Frankfurt LAB“ oder der Musik-Club „Das Bett“. Mit der Straßenbahn geht es wieder nach Hause.

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