Erste umfassende Werkschau der Künstlerin im Tower MMK „Elizabeth Catlett: Radikale Empathie“

Esther Poppe vor dem Bild „Sharecropper“ im Tower MMK. Bild: Faure

Innenstadt (jf) – Große schwarze Frauenaugen schauen die Betrachterin an. Ein halb beleuchtetes Dreiviertelporträt, ein Ausschnitt, fast eine Aufforderung ist dieser Blick. Streng, geradlinig, ohne Blendwerk. Die schwarz-weiße Lithografie „Pauline or the black Woman speaks“ hat die Künstlerin Elizabeth Catlett 1983 geschaffen. Gegenwärtig sind etwa 180 Arbeiten von Catlett im Tower MMK, Taunustor 1, zu sehen. Es ist die erste Retrospektive der vielseitigen Künstlerin.

Elizabeth Catlett wurde 1915 geboren, wuchs in privilegierten Verhältnissen auf, ihr Vater, ein Mathematikprofessor starb noch vor ihrer Geburt. Ihre Mutter war Lehrerin. Die Großmutter mütterlicherseits erzählte Elizabeth von der Versklavung ihrer Vorfahren. So entwickelte das Kind schon früh ein Bewusstsein für das Leid der Schwarzen in den USA. Als sie aufgrund ihrer Hautfarbe von einer Universität in Pittsburg abgelehnt wurde, studierte sie an der Howard University in Washington, D.C., später an der University of Iowa, beschäftigte sich dort besonders mit Bildhauerei.

Im Sommer 1941 ging sie nach Chicago, es war eine mitreißende Zeit für Künstlerinnen in vielen Bereichen. 1946 zog es sie mit ihrem ersten Mann nach Mexiko. Dort herrschte Aufbruchstimmung, Künstler gestalteten große Wandmalereien an öffentlichen Gebäuden. Druckgrafiken in hoher Auflage erklärten in Bildern Ziele des Kampfes für eine bessere und gerechtere gesellschaftliche Ordnung.

Ende der 1940er-Jahre wurde Elizabeth Catlett Mitglied der 1937 gegründeten „Taller de Gráfica Popular“ (TGP), der Werkstatt für volkstümliche Grafik. Mexiko wurde für Catlett zur Wahlheimat – auch angesichts der zunehmenden Repression gegenüber Linken, Aktivisten und Intellektuellen in den USA nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

„Wenn es keine Bilder gibt, dann muss man sie erschaffen“, lautete ein Credo von Catlett. Ihre Bilder erzählen vom Kampf der Schwarzen in Amerika. „Gehen Sie bitte nah an die Bilder heran, dann erst erkennen Sie die künstlerische Meisterschaft von Catlett“, forderte Esther Poppe, freie Mitarbeiterin am MMK, die Besuchergruppe auf. Eine Fülle von Bildern und Skulpturen ist in den Räumen auf blauem, weißem oder terrakottafarbenem Hintergrund zu sehen.

„Ein weiterer Grundsatz von Catlett war ‚Make Art for and with and not about [the People]’ (Mach Kunst für und mit und nicht über die Leute)“, erklärte Poppe vor Ort. Ein nahezu intimer Raum mit blauen Wänden zeigt künstlerische Arbeiten zum Thema Mutterschaft. Catlett hat selbst drei Söhne großgezogen, ihre Bilder und Skulpturen zeugen von Innigkeit, aber auch von Sorgen um die Kinder in einer unsicheren und gewalttätigen Welt. Schließlich stehen die Besucher vor dem farbigen Linolschnitt „Sharecropper“, entstanden 1970. Zwar wurde bereits 1865 nach Ende des Bürgerkriegs die Sklaverei in den USA abgeschafft, aber als Sharecropper (Pächter) war das Leben weiterhin hart. Dennoch strahlt dieses Porträt einer schwarzen Frau mit Sonnenhut eine unglaubliche Würde aus. Das Museum für Moderne Kunst (MMK) hat dieses Bild angekauft, es wird auch nach der Ausstellung in Frankfurt bleiben.

Die Retrospektive der 2012 verstorbenen Künstlerin Elizabeth Catlett ist bis zum 16. Juni 2024 im Tower zu sehen.