Bruchköbel vor dem Wahltag

Splitter aus einem ungewöhnlichen Wahlkampf – Von Jürgen Dick

Foto: J. Foisinger

(Bruchköbel/jgd) – Ein grandioser Abend im überfüllten Bürgerhaus: Der „Hanauer Anzeiger“ (HA) hatte vergangene Woche eine Podiumsdiskussion mit den sieben Bürgermeisterkandidaten veranstaltet.

Für die hiesige politische Kultur war sie ein großer Erfolg. Wer die Kandidaten aus dem politischen Alltag oder persönlich kennt, konnte bestätigen: Diese traten vor den Bürgerinnen und Bürgern so auf, wie sie sind. 

Die Idee. Rund 1.000 Besucher hätten es werden können, 700 fanden Platz - wegen der Sicherheit musste früh geschlossen werden. Es gab aber auch einen Livestream im Internet. Was im Nachgang die Frage aufbrachte, ob eine Internet-Übertragung in Zukunft auch von städtischer Seite organisiert werden könnte. Charmante Idee auf Facebook: Vielleicht in Zusammenarbeit mit einer Video-AG der Schulen?

Die Gewinner. Einen klaren Favoriten brachte die Veranstaltung nicht heraus. Die Veranstalter sahen Sylvia Braun, Thomas Sliwka, Daniel Weber und Dietmar Hußing knapp herausragen. Eine „Applausanalyse“ des BK ermittelte Daniel Weber und Sylvia Braun mit marginal längeren Beifallszeiten. Patrick Baier, Perry von Wittich und Uwe Ringel punkteten gleichwohl – vor allem wich niemand den kritischen Fragen aus. Eindeutige Gewinner waren jedenfalls die Besucher, die die zweistündige Veranstaltung bis zur letzten Minute gespannt verfolgten. Nie zuvor wurden Kandidaten so ausgiebig durchleuchtet. Die letzten Wochen mit vielen Einzelinterviews und Kochterminen waren ein wahres „Casting“.  Es fehlte eigentlich nur noch ein Vorsingen. Jedenfalls ist es der modernste Wahlkampf, den Bruchköbel je erlebte.

Die ewige CDU. Es ist schon kompliziert: Gleich drei Kandidaten mit CDU-Parteibuch sind im Rennen. Verwaltungsfachmann Daniel Weber, ein Pragmatiker mit Empfehlung des Vorgängers Maibach, tritt als offiziell gewählter CDU-Kandidat an. Der unterlegene Kandidat Thomas Sliwka hatte damals die Niederlage nicht akzeptiert: Er ist bis heute davon überzeugt, dass die CDU ihn als Vorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden aufs Schild hätte heben müssen, und kandidiert nun selbst. Dann kam noch Dietmar Hussing dazu. Der ist wie Weber ein Mann aus der Rathausverwaltung, und somit der Dritte im Bunde der Kandidaten mit CDU-Parteiausweis.

Die einzige Frau. Eine weibliche Kandidatin unter sieben Bewerbern – Sylvia Brauns Kandidatur  wird natürlich interessiert verfolgt. Im Lauf des Wahlkampfes hat sich die Hauptkommissarin und gelernte Fachwirtin mit ihrem betont sachlichen Auftreten viel Respekt verschafft – das gelang ihr auch vor dem großen Auditorium im Bürgerhaus. Stark.

Die Materialschlacht. Auffällig ist in diesem Wahlkampf die massive Unterstützung aus der Bruchköbeler Wirtschaft für den Kandidaten Thomas Sliwka. Ein fragender Zuschauer im Bürgerhaus entlockte ihm, dass er für seinen Wahlkampf eine Summe „im fünfstelligen Bereich“ einsammeln konnte - angeblich spendeten für ihn 21 gewerbliche Unterstützer. Plakate und Anhänger mit seinem Konterfei überschwemmen seither geradezu die Stadt – auch der Einsatz eines Zeppelins würde kaum noch überraschen. Dass Bruchköbeler Unternehmen einen einzigen Kandidaten derart mit Geld überhäufen, stößt aber auch auf Befremden. Ob es aus Sicht der lokalen Wirtschaft überhaupt klug sein kann, sich derart einseitig auf einen einzigen Mann zu versteifen, wird zumindest hinter vorgehaltener Hand kritisch gefragt.

Das Amt. Die Bedeutung des Bürgermeisteramtes wird übrigens überschätzt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat in Hessen der direkt gewählte Bürgermeister eine relativ schwache Stellung. Das Stadtparlament kann dem Bürgermeister fast jeden Schritt außerhalb der gesetzlich festgelegten Verwaltungsangelegenheiten vorschreiben - und auch untersagen. Der Bürgermeister ist vor allem für die Organisation seiner Verwaltung zuständig. Er bereitet die Beschlüsse des Gemeindevorstands vor und führt sie aus. Er leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der Verwaltung. Seine zentrale Aufgabe ist in jedem Jahr die wiederkehrende Vorlage eines Haushaltsplanes. Darin muss er dem Stadtparlament darlegen, wie die Stadt im kommenden Jahr finanziell über die Runden kommen soll. Damit seine Pläne akzeptiert werden, muss er möglichst schon im Vorfeld Mehrheiten im Stadtparlament gewinnen. Somit redet die Politik dem Bürgermeister schon in einem frühen Stadium hinein, wo es lang zu gehen hat. Die eigentliche Kraft, die über die Geschicke der Bürger entscheidet, ist also das Stadtparlament und die dort vertretene Politik.