Projekt ermöglicht wieder gemeinsames Singen Musik in Kitas zurückholen

Erst musizieren sie miteinander, dann mit den Kindern: Die vier Musikschul-Lehrer Erica Otta, Ljiljana Marjanovic, Olga Welchert und Jerome Weiss sind die Dozenten beim „Musikzug“, einem Projekt der Musikschule gemeinsam mit dem städtischen Eigenbetrieb Kindertagesstätten (EKO).

Offenbach – Wer an seine Kindergartenzeiten zurückdenkt, hat meist auch Lieder im Kopf. Gemeinsames Singen und Musizieren zählt zu den schönsten gemeinsamen Beschäftigungen (nicht nur) für Kinder.

Doch die Kinder, die im kommenden Schuljahr eingeschult werden, blicken auf eine ganz andere Kindergartenzeit zurück. Eine viel stillere.

In den vergangenen beiden Corona-Jahren gehörte gemeinsames Singen zu den Dingen, die im Kita-Alltag nicht empfohlen, zeitweise sogar ganz verboten waren. Als zu hoch wurde die Ansteckungsgefahr angesehen.

Da auch zuhause in den Familien nicht mehr unbedingt gesungen wird, fehlt vielen Kindern diese Erfahrung. „Ich treffe immer wieder auf Kinder, die noch nie gesungen haben“, sagt Ljiljana Marjanovic, Lehrerin für Musikalische Früherziehung an der Offenbacher Musikschule.

Sie ist eine von vier Dozentinnen und Dozenten, die in diesem Kindergartenjahr ein ganz besonderes Projekt betreuen: den „Musikzug“.

Unter dem Motto „Musik fährt mit!“ hat die Musikschule diesen gemeinsam mit dem städtischen Eigenbetrieb Kindertagesstätten (EKO) ins Rollen gebracht.

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Nahezu 760 Vorschulkinder aus 29 städtischen Kindertagesstätten sollen kurzerhand „musikalisiert“ werden. Die Idee oder der Wunsch hinter dem Projekt ist, den Kindern im letzten Kita-Jahr ein musikalisches „Trostpflaster“, bestenfalls aber ein unvergessliches Erlebnis zu schenken, wie Musikschulleiterin Catherine Veillerobe es formuliert.

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An insgesamt vier Tagen über zwei Wochen hinweg besucht ein Dozent die Vorschulkinder in den Einrichtungen. Sie entdecken gemeinsam die Welt der Töne und Klänge, üben unter anderem ein Sommerlied ein, das ihren Weg von der Kita zur Schule beschreibt. Am Ende bekommen die Kinder Klanghölzer. In der zweiten Projekt-Etappe machen sie einen Ausflug ins Musikmobil, wo sie allerlei Instrumente ausprobieren. Zum Abschluss treffen sich alle nochmals auf der Kinder- und Jugendfarm und singen ihr Sommerlied im ganz großen Chor. „So etwas hat es vorher noch nie gegeben“, sagen die Verantwortlichen voller Vorfreude.

Der Musikzug ist Bestandteil des Aufholprogramms nach Corona, finanziert wird es zum Teil aus nicht verausgabten EKO-Mitteln, etwa für nicht stattgefundene Fortbildungen in der Corona-Zeit. „Wir wollen den Kindern dieses gemeinschaftliches Erlebnis ermöglichen“, sagt EKO-Leiter Roberto Priore. „Zweieinhalb Jahre sind in ihrem Alter eine sehr lange Zeit, sie kennen keine Kita-Normalität mehr.“ Der Alltag in den Kitas, die pädagogische Arbeit der Fachkräfte seien sehr stark reglementiert gewesen, Konstanz und Nähe hätten oft gefehlt. Was zuvor selbstverständlich war, war auf einmal nicht mehr möglich.

Vieles gerate mit der Zeit in Vergessenheit – sogar bei den Erziehern. Daher sei ein solches Zurückholen der Musik in die Kitas wichtig, zumal Musikspiele und gemeinsames Singen ein ideales Sprachtraining seien – was gerade einer Stadt wie Offenbach zugutekomme. Der Umgang mit Instrumenten verbessere nicht nur die Wahrnehmung und das Gehör, sondern auch die Feinmotorik und die Hand-Augen-Koordination. „Kinder wachsen besser mit Musik auf“, ist Dozentin Ljiljana Marjanovic überzeugt.

Ihr Eindruck nach den ersten Wochen: „Wenn wir in die Kitas kommen, sind sie sehr erwartungsvoll. Sie saugen es richtig auf.“ Das bestätigt EKO-Fortbildungsberaterin Karin Bahlo: „Die Kinder sind unglaublich offen, haben einen Drang, mitzumachen. Wir graben in einer riesigen Schatztruhe.“ Deren Freude und Motivation seien zugleich Ansporn für die Fachkräfte. Bürgermeisterin und Kita-Dezernentin Sabine Groß freut sich als Schirmherrin des Projekts über die Kooperation mit der Musikschule, die weiter bestehen bleiben soll. Unabhängig von Corona – musikalische Frühförderung bleibt wichtig...

Von Veronika Schade